In einem feierlichen Akt wurden am Freitag, den 6. September 2024 in Brno / Brünn vor sechs Häusern im Bereich der Drobneho / Parkstraße, Antonína Slavíka / Beischlägergasse und Černopolní / Schwarzfeldstraße Stolpersteine eingeweiht, die an mehr als 20 Mitbürger*innen erinnern, die aus rassistischen Gründen, weil sie Juden waren, von den Nazis vertrieben und ermordet wurden.
Die Stolpersteine auf dem Gehweg vor dem Haus der vertriebenen und ermordeten ehemaligen jüdischen Bewohner und Tschechoslowakischen Staatsbürger dokumentieren ihre Namen und die Daten ihrer Geburt und ihres Todes.
Diese Familien verloren durch die Nazis auch ihr Eigentum. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ihnen ihr Eigentum nicht zurückgegeben. Drei der Häuser sind als Museen eingerichtet und gehören zu den wichtigsten touristischen Attraktionen von Brno / Brünn. Das Haus Tugendhat gehört seit 2001 zum UNESCO Welterbe der Kultur.
Unter den zahlreichen Besuchern der sechs Zeremonien waren hohe Vertreter des öffentlichen Lebens, unter anderen
· Petr Fiala, Premierminister der Tschechischen Republik
· Vlastimíl Válek, Vize-Premierminister der Tschechischen Republik
· Mikuláš Bek, Minister für Unterricht, Jugend und Sport; der
· Jan Grolich, Landeshauptmann von Südmähren
· Markéta Vaňková Oberbürgermeisterin / primátora von Brünn / Brno
· Martin Maleček, Bürgermeister von Brünn Nord / Brno sever
· Petra Dachtler, Stellvertretende Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland
· Zbyněk Šolc, Generaldirektor des Museums der Stadt Brünn /Brno
· Vladimír Březina, Vizedirektor des Regionalmuseums Brünn / Brno
· Karol Sidon, Oberrabbiner der Tschechischen Republik
· Jáchym Kanarek, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Brünn / Brno
· Eva Yildizová, Direktorin des STETL Fests Brno
· Zuzana Palicová, Direktorin des Museums der Stadt Bratislava
· Eva Lustigová, Direktorin der Arnošt Lustig Stiftung
· Petr Kalousek, Direktor des Meeting Brno Festivals
· Mojmír Jeřábek, ehem. Direktor des Tschechischen Zentrums Wien.
Von den Nachkommen der Überlebenden nahmen teil:
Aus Österreich:
· Daniela Hammer-Tugendhat, jüngste Tochter von Grete und Fritz Tugendhat, Erbauer des Hauses Tugendhat (Cernopolní 45), ihr Ehemann
· Ivo Hammer-Tugendhat und ihre beiden Söhne
· Matthias Hammer und
· Lukas Hammer mit seinen Töchtern
· Anouk und
· Naima
Aus den USA die Kinder von Herbert Tugendhat, der im Haus Tugendhat geboren wurde und Katherine Tugendhat-Logan:
· Eduardo Tugendhat mit Tochter
· Sara
· Marcia Tugendhat
· Andrés Tugendhat und seine Ehefrau
· Karin Tugendhat
Aus der Schweiz:
· Daniel Low-Beer, Enkel von Walter Löw-Beer, Besitzer der durch den Film Schindlers List bekannt gewordenen Wollfabrik in Brünnlitz / Brněnec
Aus der Tschechischen Republik
· Alexej Zinner, Nachkomme von Pauline Zinner, née Tugendhat, Tante von Fritz Tugendhat. Sie lebte im Haus Drobného 18.
Organisation:
Die Stolpersteine und der feierliche Akt der Einweihung wurden organisiert vom
· Museum der Stadt Brno / Brünn (Generaldirektor Zbiněk Šolc) gemeinsam mit
· Meeting Brno (Direktor Petr Kalousek),
· Museum Brno (Vladimír Březina), dem
· STETL Fest (Eva Yildizová) und der
· Jüdischen Gemeinde Brno (Jáchym Kanarek).
Initiatoren der Stolpersteine sind Veronika Smyslová, Direktorin des Hauses Arnold / Abteilung des Museums der Stadt Brno / Brünn und Michal Doležel, Museum der Stadt Brünn.
Historische Forschung: Michal Dolezel, Peter Houzar, Veronika Wihodová, Kateřina Kalvodová, Silvia Klimešová, Jana Bělkovská, Lucie Valdhansová, Jáchym Kanarek, Ivo Hammer-Tugendhat, Michael Lambek, Jacqueline Solway, Marcia Tugendhat, Ema Přikrylová, Jana Nešporová and Oldřich Smysl.
Feierlicher Akt
Der Akt der Eröffnung der Stolpersteine begann vor dem Haus Arnold mit seinem Cecilie und Cornel Hože-Garten. Die würdige Feier enthielt die Enthüllung der Stolpersteine, die Verlesung der Namen und Daten (durch Michal Doležel), Gebeten und Niederlegung von Rosen durch die Redner und von Nachkommen der Familien. Die Zeremonien wurden musikalisch berührend begleitet von Hana Bednaríková (Geige) und – vor dem Haus Tugendhat – auch von Ester Yildizová (Gesang).
Nach den Reden von Premierminister Petr Fiala, Minister Mikuláš Bek, Landeshauptmann Jan Grolich, Oberbürgermeisterin Markéta Vaňková, Generaldirektor Zbinek Solc, dem Obmann der Jüdischen Gemeinde Brno Jáchym Kanarek hielt Lukas Hammer, Enkel von Grete und Fritz Tugendhat und Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat (Grüne), eine Rede, die hier dokumentiert wird. (Die in Englischer Sprache gehaltene Rede wurde vor Ort von Katka Báňová ins Tschechische übersetzt).
Sehr geehrte Mitglieder der Regierung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Bei unserem ersten gemeinsamen Besuch in Brünn war ich 7 Jahre alt und kann mich nur an eine Sache erinnern. Meine damals schon schwer kranke Tante Hanna stand das erste Mal seit ihrer Flucht in ihrem ehemaligen Kinderzimmer. Als sie die Tür zur Terrasse öffnen wollte, wurde sie vom Hausmeister dermaßen angeschrien, dass sie zusammenzuckte. Es war, als ob sie zum zweiten Mal aus ihrem Haus vertrieben worden wäre.
Sie war unerwünscht in dem Haus. Dieses Gefühl hatten wir in den folgenden Jahren oft. Mehr noch: Mehrmals wurde bei Führungen durch das Haus auf Nachfrage erklärt, dass niemand von der Familie überlebt hatte. Vielleicht weil die möglicherweise darauffolgende Frage unangenehm zu beantworten gewesen wäre. Die Frage, warum entschieden wurde, kein einziges der Häuser an die Familien zurückzugeben.
Heute werden Stolpersteine vor den Häusern unserer vertriebenen und ermordeten Verwandten in den Boden eingelassen. Um an die Familie und an die Menschen zu erinnern, die die hier bis zum Nazi-Terror gewohnt haben. Die hier ihr Zuhause gehabt haben. Für uns als Familie sind diese Häuser in erster Linie keine Kulturstätten, sondern ein Zuhause. Ein Zuhause, in dem wir als Kinder mit unseren Verwandten im Garten gespielt hätten. Orte, wo wir als große Familie gemeinsam immer wieder zurückkehren.
Als die Tugendhat und Löw-Beer Familien vor sieben Jahren eingeladen wurden, um nach Brünn zu kommen, hatten wir dieses Gefühl zum ersten Mal. Über 100 Mitglieder unserer Familie aus vier Kontinenten, die sich vorher teilweise gar nicht kannten, versammelten sich im Garten meiner Großeltern. Es war auch ein starkes Zeichen dafür, dass hier nicht nur Menschen vertrieben und ermordet wurden, sondern dass so viele überlebt haben.
Ich bin den Organisator:innen von Meeting Brno unendlich dankbar für diese Momente. Es erfüllt mich mit Freude zu sehen, dass es eben auch so viele Menschen in Brünn gibt, die sich auf unterschiedliche Weise für eine aktive Erinnerungskultur einsetzen. Für die Gedenken auch mehr ist als nur ein symbolischer Akt, bei dem an abgeschlossene Ereignisse in der Vergangenheit gedacht wird. Ich habe so viele engagierte Menschen in und aus Brünn getroffen, die sich mit der eigenen Verantwortung und Geschichte auseinandersetzen. Die sich die Frage stellen, was das alles mit uns heute zu tun hat und die es sich nicht zu leicht machen wollen. Viele von ihnen sind heute hier.
Die Stolpersteine erinnern uns daran, wer hier einmal gewohnt hat und was mit ihnen passiert ist. Wie zum Beispiel in der Antonína Slavika 9 in der Renate Schwarz gewohnt hat, die Cousine meiner Mutter. Renate war 13 Jahre alt, als sie so wie ihr Bruder Thomas und ihre Eltern Lise und Richard in den Gaskammern der Nazis ermordet wurde.
Die Stolpersteine regen aber hoffentlich auch zum Nachdenken an.
Was ist mit diesen Menschen und ihren Familien passiert, die hier einmal gewohnt haben? Wie konnte es so weit kommen, dass Menschen so von Hass zerfressen waren, dass sie Kinder wie Renate gezielt in Gaskammern ermordeten? Was muss vorher in einer Gesellschaft und den Menschen darin passieren? Wie können wir verhindern, dass das nie wieder passiert? Wie hat das angefangen und was hat das heute konkret mit uns und mit mir zu tun?
Letzten Sonntag hat die offen rechtsextreme AfD bei Landtagswahlen in zwei Bundesländern in Deutschland über 30 Prozent bekommen, auch in vielen anderen europäischen Ländern sind rechtsextreme und postfaschistische Parteien auf dem Vormarsch. Der Hass richtet sich dieses Mal gegen Flüchtlinge und Menschen aus Afghanistan, Syrien oder vom afrikanischen Kontinent.
Für mich bedeutet “Nie Wieder” nicht “nie wieder an uns Juden”. Es heißt nie wieder an egal welchen Menschen. Nie wieder Menschen das Mensch-sein absprechen, nie wieder Rassismus egal gegen welche Gruppe, nie wieder Politik mit Hass, Vorurteilen und Hetze betreiben.
Es beginnt nie mit dem Morden, es beginnt mit dem Wort, dem Spiel mit der Angst und der Wut. Mit dem Opportunismus und der Gleichgültigkeit.
In diesem Sinn hoffe ich, dass die Stolpersteine die heute in den Boden eingelassen werden, einen Beitrag dazu leisten darüber nachzudenken, zu welchen Verbrechen Menschen am Ende fähig sind und wie wir der Entmenschlichung des Anderen entgegentreten können.
Cecilie war eine Tante von Grete Tugendhat
ZDE ŽILA CECILIE HOŽE ROZ. LÖW-BEER NAR. 11. 6. 1864 DEPORTOVÁNA 12. 5. 1942 DO TEREZÍNA ZAVRAŽDENA 7. 9. 1942 V TEREZÍNĚ |
HIER WOHNTE CECILIE HOŽE NÉE LÖW-BEER GEBOREN AM 11. 6. 1864 DEPORTIERT AM 12. 5. 1942 NACH THERESIENSTADT ERMORDET AM 7. 9. 1942 IN THERESIENSTADT
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ZDE ŽIL MAX HOŽE NAR. 4. 10. 1888 DEPORTOVÁN 12. 5. 1942 DO TEREZÍNA ZAVRAŽDĚN 23. 6. 1942 V MAJDANKU
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HIER WOHNTE MAX HOŽE GEBOREN AM 4. 10. 1888 DEPORTIERT AM12. 5. 1942 NACH THERESIENSTADT ERMORDET AM 7. 9. 1942 IN MAJDANEK |
ZDE ŽILA FRIEDERIKE HOŽE ROZ. KESSLER NAR. 15. 12. 1896 DEPORTOVÁNA 12. 5. 1942 DO TEREZÍNA ZAVRAŽDĚNA 1942 V LUBLINU |
HIER WOHNTE FRIEDERIKE HOŽE NÉE KESSLER GEBOREN AM 15. 12. 1896 DEPORTIERT AM 12. 5. 1942 NACH THERESIENSTADT ERMORDET AM 7. 9. 1942 IN LUBLIN |
Alfred und Marianne Löw-Beer sind die Eltern von Grete Tugendhat
ZDE ŽIL ALFRED LÖW-BEER NAR. 16. 5. 1872 ZEMŘEL ZA NEZNÁMÝCH OKOLNOSTÍ BĚHEM ÚTĚKU PŘED NACISTY 10. 4. 1939 NALAZEN NA KOLEJIŠTI U STŘÍBRA
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HIER WOHNTE ALFRED LÖW-BEER GEBOREN AM 16.05.1872 ER STARB UNTER UNBEKANNTEN UMSTÄNDEN AUF DER FLUCHT VOR DEN NAZIS ER WURDE AM 10.04.1939 AUF DEN BAHNGLEISEN IN DER NÄHE VON STŘÍBRA GEFUNDEN
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ZDE ŽILA MARIANNE LÖW-BEER ROZ. WIEDMANN NAR. 2. 9. 1882 UPRCHLA PŘED NACISTY V ROCE 1939 ZEMŘELA 16. 11. 1975 V ST. GALLENU
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HIER WOHNTE MARIANNE LÖW-BEER NÉE WIEDMANN GEBOREN AM 09.02.1882 SIE FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1939 SIE STARB AM 16.11.1975 IN ST. GALLEN |
ZDE ŽIL MAX LÖW-BEER NAR. 11. 4. 1902 UPRCHL PŘED NACISTY V ROCE 1939 ZEMŘEL 7. 4. 1954 VE VANCOUVERU
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HIER WOHNTE MAX LÖW-BEER GEBOREN AM 11. 4. 1902 ER FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1939 ER STARB AM 7. 4. 1954 IN VANCOUVER
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ZDE ŽIL HANS LÖW-BEER NAR. 22. 2. 1911 UPRCHL PŘED NACISTY V ROCE 1939 ZEMŘEL 8. 5 1993 V MONTREALU
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HIER WOHNTE HANS LÖW-BEER GEBOREN AM 22. 2. 1911 ER FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1939 ER STARB AM 8. 5 1993 IN MONTREAL
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Hans Tugendhat war ein Bruder von Fritz Tugendhat
ZDE ŽIL HANS TUGENDHAT NAR. 23. 9. 1894 UPRCHL PŘED NACISTY ZEMŘEL 1979 V TORONTU
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HIER WOHNTE HANS TUGENDHAT GEBOREN AM 23. 9. 1894 ER FLOH VOR DEN NAZIS ER STARB IM JAHR 1979 IN TORONTO
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ZDE ŽILA VILEMINA MARIANA AUGUSTATUGENDHAT ROZ. HERRNRITT NAR. 2. 2. 1903 UPRCHLA PŘED NACISTY ZEMŘELA PO 1993 V TORONTU
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HIER WOHNTE VILEMINA MARIANA AUGUSTATUGENDHAT NÉE HERRNRITT GEBOREN AM 2. 2. 1903 SIE FLOH VOR DEN NAZIS SIE STARB IM JAHR 1993 IN TORONTO |
ZDE ŽIL PETER CLAUS TUGENDHAT NAR. 29. 10. 1925 UPRCHL PŘED NACISTY V ROCE 1939 ZEMŘEL 1981 V CARACASU
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HIER WOHNTE PETER CLAUS TUGENDHAT GEBOREN AM 29. 10. 1925 ER FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1939 ER STARB 1981 IN CARACAS
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Lisa Schwarz war die Lieblings-Schwester von Fritz Tugendhat
ZDE ŽILA LISE SCHWARZ ROZ. TUGENDHAT NAR. 27. 11. 1900 DEPORTOVÁNA 28. 1. 1942 ZAVRAŽDĚNA PO 13. 6. 1942 V OSVĚTIMI
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HIER WOHNTE LISE SCHWARZ NÉE TUGENDHAT GEBOREN AM 27. 11. 1900 DEPORTIERT AM 28. 1. 1942 ERMORDET AM 13. 6. 1942 IN AUSCHWITZ
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ZDE ŽIL RICHARD SCHWARZ NAR. 7. 7. 1887 DEPORTOVÁN 28. 1. 1942 ZAVRAŽDĚN PO 13. 6. 1942 NA NEZNÁMÉM MÍSTĚ
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HIER WOHNTE RICHARD SCHWARZ GEBOREN AM 7. 7. 1887 DEPORTIERT AM 28. 1. 1942 ERMORDET AM 13. 6. 1942 AN EINEM UNBEKANNTEN ORT
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ZDE ŽIL THOMAS SCHWARZ NAR. 10. 4. 1926 DEPORTOVÁN 28. 1. 1942 ZAVRAŽDĚN 4. 9. 1942 V MAJDANKU
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HIER WOHNTE THOMAS SCHWARZ GEBOREN AM 10. 4. 1926 DEPORTIERT AM 28. 1. 1942 ERMORDET 4. 9. 1942 IN MAIDANEK
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ZDE ŽILA RENATE SCHWARZ NAR. 20. 3. 1929 DEPORTOVÁNA 28. 1. 1942 ZAVRAŽDĚNA PO 13. 6. 1942 NA NEZNÁMÉM MÍSTĚ
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HIER WOHNTE RENATE SCHWARZ GEBOREN AM 20. 3. 1929 DEPORTIERT AM 28. 1. 1942 ERMORDET AM 13. 6. 1942 AN EINEM UNBEKANNTEN ORT
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Benno war ein Onkel von Fritz Tugendhat
ZDE ŽIL BENNO TUGENDHAT NAR. 2. 9. 1877 PŘED DEPORTACÍ DO KONCENTRAČNÍHO TÁBORA SE ZASTŘELIL 10. 1. 1942
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HIER WOHNTE BENNO TUGENDHAT GEBOREN AM 2. 9. 1877 VOR DER DEPORTATION IN EIN KONZENTRATIONSLAGER ERSCHOSS ER SICH SELBST AM 10. 1. 1942
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ZDE ŽILA GERMAINE LEODIE CESARIE TUGENDHAT ROZ. MONNIN NAR. 20. 9. 1880 UPRCHLA PŘED NACISTY ZEMŘELA 30. 11. 1985 VE VÍDNI
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HIER WOHNTE GERMAINE LEODIE CESARIE TUGENDHAT ROZ. MONNIN GEBOREN AM 20. 9. 1880 SIE FLOH VOR DEN NAZIS SIE STARB AM 30. 11. 1985 IN WIEN
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ZDE ŽIL RENÉ ERIC TUGENDHAT NAR. 27. 7. 1909 UPRCHL PŘED NACISTY ZEMŘEL 1987 V BUENOS AIRES
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HIER WOHNTE RENÉ ERIC TUGENDHAT GEBOREN AM 27. 7. 1909 ER FLOH VOR DEN NAZIS ER STARB IM JAHR 1987 IN BUENOS AIRES
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ZDE ŽILA ANNA MARIE TUGENDHAT NAR. 11. 6. 1914 UPRCHLA PŘED NACISTY ZEMŘELA NEZNÁMO KDE
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HIER WOHNTE ANNA MARIE TUGENDHAT GEBOREN AM 11. 6. 1914 SIE FLOH VOR DEN NAZIS SIE STARB AN EINEM UNBEKANNTEN ORT |
ZDE ŽILA GRETE TUGENDHAT ROZ. LÖW-BEER NAR. 16. 5. 1903 UPRCHLA PŘED NACISTY V ROCE 1938 ZEMŘELA 10. 12. 1970 V ST. GALLENU
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HIER WOHNTE GRETE TUGENDHAT ROZ. LÖW-BEER GEBOREN AM 16. 5. 1903 SIE FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1938 SIE STARB AM 10. 12. 1970 IN ST. GALLEN
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ZDE ŽIL FRITZ TUGENDHAT NAR. 10. 10. 1895 UPRCHL PŘED NACISTY V ROCE 1938 ZEMŘEL 22. 3 1958 V ST. GALLENU
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HIER WOHNTE FRITZ TUGENDHAT GEBOREN AM 10. 10. 1895 ER FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1938 ER STARB AM 22. 3 1958 IN ST. GALLEN
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ZDE ŽILA HANNA LAMBEK ROZ. WEISS NAR. 29. 11. 1924 UPRCHLA PŘED NACISTY V ROCE 1938 ZEMŘELA 4. 1. 1991 V MONTREALU
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HIER WOHNTE HANNA LAMBEK ROZ. WEISS GEBOREN AM 29. 11. 1924 SIE FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1938 SIE STARB AM 4. 1. 1991 IN MONTREAL |
ZDE ŽIL ERNST TUGENDHAT NAR. 8. 3. 1930 UPRCHL PŘED NACISTY V ROCE 1938 ZEMŘEL 13. 3. 2023 VE FREIBURGU IM BREISGAU
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HIER WOHNTE ERNST TUGENDHAT GEBOREN AM 8. 3. 1930 ER FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1938 ER STARB AM 13. 3. 2023 IN FREIBURG IM BREISGAU
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ZDE ŽIL HERBERT TUGENDHAT NAR. 24. 2. 1933 UPRCHL PŘED NACISTY V ROCE 1938 ZEMŘEL 30. 8. 1980 V CARACASU |
HIER WOHNTE HERBERT TUGENDHAT GEBOREN AM 24. 2. 1933 ER FLOH VOR DEN NAZIS IM JAHR 1938 ER STARB AM 30. 8. 1980 IN CARACAS |
5. April 2023, 14 Uhr
Einladung des Direktors des Stadtmuseums Brünn, Mag. Zbyněk Šolc
Reden von JUDr. Markéta Vaňková, Oberbügermeisterin der Statutarstadt Brünn, dem Gouverneur der Südmährischen Region, Mgr. Jan Grolich
Ivo Hammer
Rede zur Eröffnung des Gartens des Hauses Tugendhat
Frau Oberbürgermeisterin!
Herr Bezirkshauptmann!
Herr Direktor!
Meine Damen und Herren!
Mein Name ist Ivo Hammer, ich bin Ehemann von Daniela Hammer-Tugendhat, der jüngsten Tochter von Grete und Fritz Tugendhat, den Erbauern des Hauses Tugendhat.
Ich bedanke mich bei Direktor Šolc für die Einladung zu diesem erfreulichen Event. Ich sehe die Einladung als Zeichen der Wertschätzung, die das Museum der Stadt Brünn der Familie entgegenbringt.
Am 13. März 2023 ist Ernst Tugendhat gestorben. Ernst Tugendhat war nach den Worten des Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Frank Walter Steinmeier, „einer der bedeutendsten Philosophen der Nachkriegszeit, dessen Denken die deutsche Philosophie revolutioniert und geprägt hat.“ Ich danke im Namen der Familie für die Kondolenz der Stadt Brünn und des Museums der Stadt Brünn.
Ernst Tugendhat war der Letzte der Familien Löw-Beer und Tugendhat, der noch in den beiden zu diesem Garten gehörenden Häusern Löw-Beer und Tugendhat gelebt hat.
Ich möchte diesen Event auch zum Anlass nehmen, an den Vater von Grete Tugendhat, Alfred Löw-Beer zu erinnern, der im April 1939 auf der Flucht vor den Nazis bei Pilsen ermordet wurde.
Ich freue mich über die Öffnung des Zauns zwischen den beiden Häusern Löw-Beer und Tugendhat. Diese Öffnung stellt räumlich die historische Situation wieder her. Es ist nicht allgemein bekannt, dass Alfred und Marianne Löw-Beer ihrer Tochter Grete aus Anlass ihrer Hochzeit mit Fritz Tugendhat nur den Baugrund und die Baukosten des Hauses Tugendhat als Vorgriff auf ihr Erbe schenkten. Der übrige Garten, auch der Bereich des ehemaligen Belvederes, blieb Eigentum von Gretes Eltern. Fritz Tugendhats Fotos, die in unserem Buch publiziert sind, dokumentieren die Nutzung dieses Gartens, auch als Spielplatz für die Kinder, im Sommer das Plantschen mit dem Wassersprenger, im Winter das Rodeln auf dem wie dafür geschaffenen Abhang.
Ich erinnere mich auch gerne an das Familientreffen im Mai 2017. Im Rahmen von Meeting Brno hatte die Stadt von den Juden, welche die Shoa überlebt haben, drei Familien eingeladen, die für das kulturelle Leben der Stadt vor 1938 bedeutsam waren: Die Familien Löw-Beer, Tugendhat und Stiassny. Wir hatten mit ca. 40-50 Personen gerechnet, gekommen sind mehr als 120. Das Treffen der Familien im Garten, bei strahlendem Wetter, mit den spielenden Kindern und life Musik von Andrea und Jonas erzeugten schöne, aber auch ambivalente Emotionen.
Die ikonischen Fotos von Rudolf de Sandalo von 1931 präsentieren das Haus als solitären Kubus, menschenleer und ohne Bewuchs. Die Fotos von Fritz Tugendhat aus den wenigen Jahren danach, in den denen die Familie in ihrem Haus wohnen konnte, dokumentieren die materielle Lebensrealität des Hauses, seine Zeitlichkeit, seine Alterung, den Bewuchs und den belebten Landschaftsgarten. Die Fotos zeigen einerseits die von Ludwig Mies van der Rohe intendierte innige Verbindung von Architektur und Natur, von geometrischer Klarheit und organischer Lebendigkeit, und andererseits die von Mies van der Rohe so genannte bedeutungsvolle Leere des von der berühmten tschechischen Gartenarchitektin Grete Müller-Roder in Zusammenarbeit mit Mies van der Rohe und wohl auch Lilly Reich gestalteten Landschaftsgartens.
Im 18. Jahrhundert waren diese Anhöhen über dem Flüsschen Ponávka Weinberge, teilweise durchsetzt mit Obstbäumen. In den Zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts hat man offenbar diese Weinberge aufgelassen und einen Aussichtspunkt, genannt Belvedere eingerichtet. Der Ziegelfabrikant Antonin Rüdiger Deycks, kaufte 1854 das Grundstück, richtete ein Gewächshaus ein und ließ wahrscheinlich auch Parkbäume pflanzen.
Zu der 1904 nach Plänen von Alexander Neumann für den Fabrikanten Moritz Fuhrmann gebauten Jugendstil-Villa gehörte auch das Kutschenhaus mit winkelförmigem Grundriss und auch ein Garten mit Brunnen, Treppen, Laube und möglicherweise auch die frei ondulierenden Wege eines Englischen Parks bis hinauf zum Belvedere am nördlichen Rand an der Schwarzfeldstraße.
Als Alfred und Marianne Löw-Beer 1913 die Jugendstil-Villa kauften und mit ihren Kindern Max (11), Grete (10) und Hans (I2 Jahre) einzogen, ließen sie den Garten wahrscheinlich unverändert.
Grete Müller-Roder übernahm 1929-1930 das Wegesystem des Englischen Parks, vereinfachte es etwas, führte im Bereich des Servicetrakts einen Nutzgarten ein und entlang des Sockels des Hauses eine Terrassierung mit Trockenmauern aus Bruchstein, vielleicht eine Allusion an die historischen Weingärten. Der Grundriss des Hauses richtet sich eindeutig auf die Achsenbeziehung zwischen der halbrunden Essnische und der damals schon großen Trauerweide, dem Lieblingsbaum von Grete Tugendhat. Grete Müller-Roder plante auch den Sitzplatz unter der Trauerweide, mit direktem Zugang mittels einer Treppe durch die Terrassierung und einem weiterführenden Weg. Eine (heute nicht mehr erhaltene) geschlossene Vegetation zu den Nachbargrundstücken stellte die sicherlich von der Bauherrenschaft gewünschte Privatheit des als bedeutungsvolle Leere verstandenen Gartenraums her.
Es sei in diesem Zusammenhang auch an die ausgezeichnete Planungsarbeit von Přemysl Krejčiřík und seinem Team während der rezenten Restaurierung des Gartens 2010-2012 erinnert
Ich möchte die Öffnung des Gartens zwischen den beiden Häusern auch in einem übergreifenden, symbolischen und sozialen Sinn verstehen: als mentale Öffnung der Tore und auch als reale Öffnung der Grenzen dort, wo es aus kulturellen und humanitären Gründen notwendig ist.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.