Kalk in Wien – Konservierung-Restaurierung historischer Fassaden
Ivo Hammer
Ort: Festivalzentrale MQ/ Raum D (U3, Volkstheater)
Datum: Donnerstag, 17.10.2024
Zeit: 18:30-19:30
Ökonomische Umwälzungen in Richtung kurzfristige Kalkulation und unbedachter Verbrauch von Ressourcen führten auch in der Bautechnik zu dramatischen Veränderungen hinsichtlich Materialien, Techniken und ästhetischen Präferenzen. Materialien werden im Labor ‚designed‘ und sind entsprechend teuer. Handwerkliche Qualifikation wurde ersetzt durch die selektive ‚Intelligenz‘ der Baustofffirmen, die handwerkliche Tradition der Herstellung und der Reparatur geriet in Vergessenheit. Die in der Denkmalpflege von Konservator*innen-Restaurator*innen gewonnenen Kenntnisse sind nicht nur für die Konservierung von Denkmalen, sondern generell auch für Erhaltung und Reparatur von Altbauten nutzbar. Auch in Wien begann man vor 40 Jahren an einzelnen Objekten wieder mit nachhaltiger Pflege mit Kalk.
Keine Anmeldung erforderlich.
Kalk in Wien – Stadtspaziergang
Ivo Hammer
Datum: Samstag, 19.10.
Ort: 1. Bezirk (Michaelerplatz, Graben, Singerstraße, ...)
Zeit: 15:00-17:00
Prof. Dr. Ivo Hammer, von 1976–1997 Leitender Restaurator des Bundesdenkmalamts für Wandmalerei/Architekturoberfläche, tätig unter anderem am Beethovenfries von Gustav Klimt (1902) und historischen Fassaden, z.B. der Feste Hohensalzburg, Professor an der HAWK Hildesheim und zuletzt Vorsitzender der internationalen Expertenkommission für die Restaurierung des Hauses Tugendhat in Brünn, zeigt mehrere historische Gebäude in Wien, deren Fassaden in der traditionellen Technik mit Kalk restauriert wurden. Teilnahme: kostenlos, Treffpunkt: Michaelerplatz.
Keine Anmeldung erforderlich.
(aus der Presseaussendung www.ots.at vom 29.6.2024, Anne Kathrin
Feßler)
Am 28. Juni 2024 verlieh Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler im Namen des Bürgermeisters Michael Ludwig im
... Wappensaal des Wiener Rathauses der Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat ... das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien...
Musikalisch gestaltet wurde die Ehrung vom Art4Strings-Streichquartett, das Klassiker der Popmusik wie Neil Diamonds „I’m a believer“ und „Reach“ von S Club 7 interpretierte....
Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler hob in ihrem Dank an die Pionierin der Geschlechterforschung in der Disziplin der Kunstgeschichte hervor, Daniela Hammer-Tugendhats habe in der
Beforschung der männlich dominierten Konstruktion von Bildern, „an einer Neuordnung, ja an einem Neuen Sehen gearbeitet und dafür gesorgt, dass sich dieser stets kritische, stets
differenzierende und feministische Blick in der nächsten Generation wiederfindet. “ Kaup-Hasler dankte für das Engagement der Wissenschaftlerin, „sich klar gegen ein vereinfachtes
dichotomes Denken zu stellen, gegen schnelle Zuschreibungen und den Mangel an Zuhören. Denn das hat in unsere Zeit eine Dominanz bekommen, die demokratiegefährdend ist und unser
Zusammenleben gefährdet. Die Fähigkeit zum differenzierenden Denken wird durch Menschen wie Daniela Hammer-Tugendhat geschärft.“
Sehr geehrte Frau Kulturstadträtin, liebe Daniela Hammer-Tugendhat, liebe Familie
und Freund:innen der heute zu Ehrenden, sehr geehrte Festgäste!
Eine harmonische Farbgebung aus Blaugrün und Ockertönen. Dazwischen bunte, vor allem rote Farbtupfer. Ich erkenne eine weite hügelige Landschaft. Auf dem Bild herrscht ein volksfestartiges Treiben. Erst bei genauerem Hinschauen entdecke ich im Zentrum winzig klein das eigentliche Geschehen. Es zeigt einen unter einem Kreuz zusammengebrochenen Mann. Die Menschen schenken dem dramatischen Geschehen keinerlei Beachtung, zu allgegenwärtig scheint der Mord an Andersgläubigen zu sein, wie zahlreiche Galgenräder im Bild verdeutlichen. Trotz der sakralen Thematik handelt es sich um ein höchst politisches Bild, das eng mit den Ereignissen zu dessen Entstehungszeit zu tun hat, aber auch heute noch ausgesprochen aktuell erscheint. Gerade wenn ich mir anschaue, was im Moment an Gewalt und kriegerischen Konflikten auf der Welt in Zusammenhang mit polarisierendem Schwarzweißdenken und der Nichtakzeptanz von Vielfalt und Andersartigkeit geschieht.
Ein Nachdenken über die Bedeutung der Wissenschaftlerin, die heute geehrt wird, ist ohne ein Eintauchen in die Welt der Bilder, mit denen sie sich befasst, nicht möglich. Das 1564 entstandene Werk aus dem Kunsthistorischen Museum habe ich nicht zufällig gewählt. Denn gemalt hat es ein Künstler, der eng mit den Forschungen von Daniela Hammer-Tugendhat verbunden ist: Pieter Bruegel der Ältere. Bruegels „Kreuztragung“ ist außerdem das erste Kunstwerk, das ich durch die Augen der heute zu Ehrenden als Studentin vor über 35 Jahren sehen durfte. Dies hat meine Sicht auf die Kunst, auf die Kunstgeschichte, ja auf die Welt insgesamt radikal verändert und entscheidend geprägt. Und ich würde heute sicher nicht hier stehen, wäre ich nicht dieser außergewöhnlichen Wissenschaftlerin begegnet. Anhand der Analyse dieses Bruegel-Bildes habe ich von Daniela Hammer-Tugendhat Vieles gelernt. Vieles, was über die Kunstgeschichte weit hinausgeht. So wie mir ist es unzähligen anderen jungen Menschen ergangen. Von Daniela Hammer-Tugendhat habe ich vermittelt bekommen, dass die Produktion und Rezeption von Kunst zum Spannendsten und Sinnstiftendsten gehört, was das Leben zu bieten hat. Vor allem habe ich begriffen, dass Kunstgeschichte zutiefst mit allen Bereichen des menschlichen Daseins verbunden ist. Denn über ihre Bildanalysen wird die Welt in all ihrer Komplexität, in all ihrer Schönheit, in all ihrer Grausamkeit, in all ihrer Widersprüchlichkeit erfahrbar. Anhand von Cranachs „Lucretia“ , Tizians „Danae“, Tintorettos „Susanna und die Alten“, Rembrandts „Familienbildnis“, Segantinis „Bösen Müttern“, ,Bruegels „Die großen Fische fressen die Kleinen“, Hodlers Serie der sterbenden Valentine Godé-Darel oder Vermeers Frauenbildnissen verhandelt Daniela Hammer-Tugendhat zeitlose und zugleich äußerst aktuelle Themen: Sie schreibt über Sexualität, Geschlechterkonstruktionen, Gewalt an Frauen, Familienbeziehungen, ökonomische Ungleichheiten, Machtverhältnisse, Leben und Tod – vor allem auch über mediale Fragen wie das Verhältnis von Bild und sichtbarer Wirklichkeit, von Visuellem und Verbalem.
Daniela Hammer-Tugendhats Forschungen sind für die Gesellschaft so bedeutsam, weil sie in ihrem Ansatz „Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft“ vor Augen führt, dass Bilder die Wirklichkeit entscheidend mitkonstituieren, so wie umgekehrt Kunstwerke nie losgelöst von den ökomischen, sozialen, politischen, geschlechterspezifischen und sprachlichen Realitäten einer Gesellschaft gesehen werden können. Bei all der Verortung innerhalb geschichtlicher und gesellschaftspolitischer Zusammenhänge lässt sie die Kunst aber immer Kunst sein. Sie begegnet Kunst und Künstler:innen mit größtmöglicher Wertschätzung und aufmerksamer Zuwendung. Das zeigt sich auch darin, dass ihren Thesen detaillierte Bildbeschreibungen vorausgehen. Stets weist sie darauf hin, dass bildende Kunst Eigenschaften hat, die mit nichts anderem gleichzusetzen sind. Sie zeigt in ihren Forschungen auf, dass Kunst den Finger in Wunden legen kann. Dass sie Dinge visualisieren kann, die von der Gesellschaft verdrängt oder ausgeblendet werden. So schreibt sie: „Kunst kann Unsichtbares sichtbar machen. Sie hat aber auch das Vermögen, Dinge, Menschen, Vorstellungen oder Ideen in bestimmten Zusammenhängen unsichtbar werden zu lassen, sie aus dem Feld der Repräsentation und damit auch aus unserem Bewusstsein zu löschen.“ Wie sich an diesem Zitat aus ihrem letzten Hauptwerk spiegelt, formuliert Daniela Hammer-Tugendhat ihre Gedanken in einer präzisen und bescheidenen Sprache. Nie stellt sie sich selbst ins Zentrum ihrer Forschungen. Die Eitelkeit, die mitunter aus akademischen Texten spricht, fehlt in ihren Arbeiten gänzlich. Zugleich versteckt sie sich nie hinter einer scheinbaren wissenschaftlichen Objektivität, sondern macht stets transparent, dass Wissenschaft immer auch mit Haltung, mit Werten, mit Menschen und deren jeweils spezifischer Sicht auf die Wirklichkeit zu tun hat.
Völlig zurecht wird Daniela Hammer-Tugendhat sowohl von Wissenschaftler:innen als auch von Künstler:innen als Pionierin der feministischen Kunstwissenschaft gefeiert wie ein Popstar. Ihre Vorlesungen auf You Tube erreichen ein enorm breites Publikum, begeistern Menschen, die sich normal keineswegs für Kunstgeschichte interessieren.
Wien zeichnet heute eine Ikone der Kunstgeschichte aus und ich kann mir keine andere vorstellen, die dieses Goldene Ehrenzeichen mehr verdient hat als sie. Daniela Hammer-Tugendhat, die 1946 in Venezuela geboren worden ist, wohin ihre jüdische Familie vor den Nationalsozialisten geflüchtet war, ist 1968 aus der Schweiz nach Wien zum Studium der Kunstgeschichte bei Otto Pächt gekommen. Und zum großen Glück dieser Stadt lebt und wirkt sie hier bis heute. Denn Daniela Hammer-Tugendhat hat das intellektuelle Leben Wiens, ja des Kulturlandes Österreich als scharfe Denkerin, kritische Zeitgenossin und herausragende Kunsthistorikerin nachhaltig bereichert. Mit ihren Forschungen und Publikationen – angefangen von der Dissertation über „Hieronymus Bosch“ über die Habilitations-„Studien zur Geschichte der Geschlechterbeziehung in der Kunst“ bis zu ihrem 2009 erschienen Hauptwerk „Das Sichtbare und das Unsichtbare“. Auch durch zahlreiche Symposien und Vorträge, vor allem aber durch die jahrzehntelange Lehrtätigkeit an der Universität für angewandte Kunst, später auch an der Universität Wien und anderen renommierten, internationalen Universitäten. Aus ihrer Schule sind bedeutende Wissenschaftlerinnen hervorgegangen, einige sind heute auch hier. Viele Künstler:innen haben Werke geschaffen, die direkt oder indirekt von Daniela Hammer-Tugendhats Lehre und Forschung beeinflusst sind. Das Aufzählen ihrer akademischen Meriten reicht bei weitem nicht aus, um das zu charakterisieren, was Daniela Hammer-Tugendhat zu der herausragenden Persönlichkeit macht, als die sie von so vielen geschätzt und bewundert wird.
Daniela, dieses Ehrenzeichen gebührt dir mehr, als ich es heute auch nur annähernd in Worte fassen kann. Weil bei dir deine Leistungen als innovative Kunsthistorikerin, als glasklar formulierende Autorin, als das Publikum fesselnde Vortragende, als leidenschaftliche Lehrende, als stets politisch engagierte, kritische Zeitgenossin, als liebevolle Ehefrau, Mutter und Großmutter, als wertschätzende Freundin eine untrennbare Einheit eingehen. Substanziell zu dir gehören Mut und eine klare, politische Haltung. Das brauchen wir gegenwärtig – nach der EU-Wahl und dem weltweiten, zunehmenden Rechtsruck – mehr denn je. Mehr als einmal habe ich dich erlebt, wie du in heiklen Situationen unmissverständlich Stellung bezogen und in diversen beruflichen Zusammenhängen harte Kämpfe ausgefochten hast, auch wenn sie dir persönlich geschadet haben, weil du kompromisslos immer für das eingestanden bist, was dir wichtig ist und was du im Leben für notwendig erachtest. Gerade die Kunst ist für dich stets Beispiel gewesen, um Ambiguitätstoleranz zu schulen. Etwas, das gerade in Zeiten, in denen ein polarisierendes Schwarz-Weiß-Denken in Politik, Gesellschaft und Sozialen Medien wieder rasant zugenommen hat, besonders wertvoll erscheint. Charakteristisch an dir ist deine Dialogfähigkeit und das stets offene, kritische Gespräch, das du mit deinem Gegenüber suchst. Dazu gehört auch, dass du selbst in höchstem Maße kritikfähig bist. Wir haben in den letzten Jahren viel zusammengearbeitet, du hast etwa Texte zu unseren Ausstellungen „Family Matters“ oder „Arm und Reich“ geschrieben. Dabei habe ich erlebt, wie tief du dich auf alles, womit du dich befasst, einlässt; dies betrifft die Kunst, aber auch die Menschen, mit denen du kooperierst. Nie habe ich sonst erlebt, dass ein Mensch, der auf seinem Gebiet so eine Legende ist wie du, so offen für Kritik an seinen Ausführungen ist. Umkehrt forderst du dein Gegenüber in höchstem Maße heraus, indem du beispielsweise selbst kurz vor der Eröffnung einer Ausstellung kritisch hinterfragst, warum ich ein bestimmtes Kunstwerk, das dich nicht überzeugt, ausgewählt habe. Die Größe deiner Persönlichkeit spiegelt sich darin, dass sich deine anfängliche Skepsis mitunter in Begeisterung wandeln kann, wenn dir die Argumentationen deiner Gesprächspartnerin überzeugend genug erscheinen.
Daniela, Du zeigst allen, die privat oder beruflich mit dir zu tun haben seit Jahrzehnten eindrucksvoll auf, was es heißt, dem Leben in größtmöglicher Intensität und Aufrichtigkeit zu begegnen. Selbst wenn das heißt, sich vollen Bewusstseins der eigenen Endlichkeit zu stellen. So hast du in dem Gespräch, das wir letztes Jahr für den Katalog unserer aktuellen Ausstellung „Sterblich sein“ geführt haben, den eindrucksvollen Satz formuliert: „Das Schlimmste ist nicht zu sterben, sondern nicht
gelebt zu haben.“
Daniela, du wirst heute zu Recht ausgezeichnet, weil du im Leben wie in der Wissenschaft stets Entscheidungen getroffen hast. Und weil du sie nach Kriterien triffst, die du selbst definierst und nicht nach solchen, die die leistungsorientierte, neoliberale Gesellschaft einem aufzwingt. Noch heute erinnere ich mich, wenn ich selbst vor einer Entscheidung stehe, wie du in den 1990er Jahren den Ruf nach Frankfurt auf eine höchst angesehene C4-Professur nicht angenommen hast und in Wien geblieben bist. Auf einer Stelle, die weit unter dem lag, was dir gebührt hätte. Eine Unvorstellbarkeit für männliche Wissenschaftler deiner Generation, aber eine der größten Glücksfälle für diese Stadt.
Auch privat hast du kluge Entscheidungen getroffen, indem du uns allen vorlebst, wie man mit einem Menschen, mit Ivo, ein Leben lang glücklich sein kann. Du warst und bist gerade für viele Frauen ein Vorbild, weil du uns in einer Zeit, als dies noch viel schwieriger als heute war, vor Augen geführt hast, dass es möglich ist, Wissenschaft und Familie zu vereinen, indem du deine wunderbare Söhne Lukas und Matthias bekommen und mit Ivo gemeinsam liebevoll aufgezogen hast. Zugleich hast du die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht schöngeredet, sondern hast uns als junge Frauen damals an deinem Kampf teilhaben lassen. Trotz all der Leidenschaft, mit der du deiner Arbeit nachgehst, bist du anderen Menschen immer eine Unterstützung gewesen, dazu gehört die wertschätzende Pflege von Freundschaften. Es ist ein Geschenk, dich als Kooperationspartnerin, als Lehrende, als Freundin – und wie ich von deiner Familie mitbekomme, als Frau, als Mutter und als begeisterte Großmutter – zu haben. Ich danke dir im Namen der anwesenden Festgäste für das, was du für jede und jeden Einzelnen bist. Ich danke dir für all das, was du für die Kunstgeschichte, die Kulturwissenschaft, für die Kunstszene, für die Stadt Wien, das Land Österreich und weit darüber hinaus geleistet hast. Und ich gratuliere dir von Herzen zu dieser Ehrung.
Wien, 28. Juni 2024, © Johanna Schwanberg
Sehr geehrte Frau Stadträtin, liebe Gäste,
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich über diese Ehrung der Stadt Wien freue. Und Johanna Schwanbergs Laudatio macht mich geradezu sprachlos. Ich bedanke mich von ganzem Herzen.
Ich empfinde diese Ehrung auch als Anerkennung einer alternativen Kunstgeschichte, für die ich mich Jahre und Jahrzehnte eingesetzt habe: Eine Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft, die die Kunst immer im gesellschaftlichen Kontext sieht, aber nicht als Widerspiegelung, sondern als aktive Beteiligung an der Wahrnehmung und zugleich Bildung unserer Wirklichkeit.
Die Bedeutung von Kunst – von bildender Kunst, Film, Literatur und anderen Künsten – liegt in der Komplexität der Erfahrung, in der Möglichkeit, unendlich komplizierte Verhältnisse in menschlichen Beziehungen, aber auch in gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in ihrer Ambiguität, mit allen oft nicht auflösbaren Widersprüchen darzustellen und erfahrbar werden zu lassen.
Mein Anliegen in der Lehre war es, Wege zu finden, die Studierenden in die Lage zu versetzten über die intensive Beschäftigung mit Kunst und visuellen Medien ein vertieftes Welt- und Selbst-Verständnis zu finden; geleitet von der Erkenntnis, dass eingehende Werkbetrachtung nicht genügt, sondern dass Kunst nur innerhalb der Bildtradition und im diskursiven und historischen Kontext zu verstehen ist.
Ich bin davon überzeugt, dass die Bedeutung dieses Blicks und dieser Haltung weit über die Betrachtung und Analyse von Kunst hinaus geht, gerade in einer Zeit in der sich auch bei uns der politische Diskurs immer weiter radikalisiert, wo sich immer öfter zwei Seiten unversöhnlich gegenüberstehen Je komplexer die Konflikte, desto einfacher sollen die Lösungen sein, desto lauter die Rufe sich für eine Seite zu entscheiden und die andere zu verdammen. Als Jüdin bin ich bezüglich der Katastrophe, die sich jetzt in Israel und Gaza abspielt, besonders sensibilisiert. Diese Tragödie ist in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit nur annähernd zu verstehen und zu bewerten, wenn man weit in die Geschichte zurückgeht und alle beteiligten Seiten in ihrem jeweiligen Kontext zu begreifen sucht.
Ich bin dankbar in einem Land leben zu dürfen, in dem – zumindest derzeit – kein Krieg herrscht, in einer der lebenswertesten Städte der Welt. Das ist für mich als Tochter von Flüchtlingen keine Selbstverständlichkeit.
Ich möchte nicht enden ohne mich bei den vielen Kolleginnen und Kollegen zu bedanken, die an der Entwicklung der Genderforschung und der Kulturwissenschaften beteiligt waren und ohne die ich hier nicht stehen würde. Ich kann sie nicht alle namentlich anführen, aber ich möchte mich doch bei einem Menschen besonders bedanken, der mich immer unterstützt und motiviert hat, alle meine Texte kritisch redigiert hat, und mich in unendlich vielen Museumsbesuchen und Gesprächen mit seinem besonderen Zugang zur Materialität der Kunst und seiner außergewöhnlichen Expertise zu alternativen Sichtweisen angeregt hat: bei meinem Mann, Ivo Hammer.
The New European Bauhaus: beauty, sustainability and cultural heritage through the prism of Villa Tugendhat (Das Neue Europäische Bauhaus: Schönheit, Nachhaltigkeit und Kulturelles Erbe im Prisma des Hauses Tugendhat)
Hochrangiges Treffen am 21 November 2022 from 14:30-18:00 in Brünn, Tschechische Republik. Haus Tugendhat
Brno, Haus Tugendhat. 21. November 2022
Das Neue Europäische Bauhaus: Schönheit, Nachhaltigkeit and Kulturelles Erbe im Prisma des Hauses Tugendhat
Hochrangige Diskussionsrunde mit Martina Dlabajová (Mitglied des Europäischen Parlaments), Mariya Gabriel (Europäische Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung and Jugend), Ivo Hammer (Konservator-Restaurator, Kunsthistoriker und Professor em. an der HAWK Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst), Vlastislav Ouroda (Vize-Minister für Kultur der Tschechischen Republik), Moderation: Martin Selmayr (EU Botschafter in Österreich), Grußworte: Monika Ladmanová (EU Botschafterin in der Tschechischen Republik) und Martin Selmayr
Statement Ivo Hammer:
Meine Damen und Herren
Ich bedanke mich für die Einladung zu diesem event und bei Martin Selmayr für die freundliche Einführung.
Mein kurzes statement geht von der Frage aus:
Was können wir von der Denkmalpflege allgemein und vom Haus Tugendhat im Besonderen lernen
Was können wir lernen:
und was können wir lernen
Zunächst einige Bemerkungen zur Materialität des Hauses Tugendhat:
Die Schönheit des Hauses Tugendhat basiert nicht nur auf dem 1930 neuartigen design. Seine Schönheit basiert auch auf seiner Materialität: auf der Verwendung edler Materialien wie Onyxmarmor, Travertin, Tropenhölzer, Seide, Pergament und poliertem Chrom und Nickel, und der auf der handwerklich äußerst präzisen Bearbeitung aller traditionellen Oberflächen, des geschliffenen stucco lustro der Innenwände, der sorgfältigen material-farbenen Lackierung der Metall- und Holzteile. Buntfarben brachte das Leben, brachten einzelne Möbel, Blumen.
Viele Elemente, wie die Wände de Innenräume und der Fassade sind in außergewöhnlich sorgfältiger, aber dennoch traditioneller Handwerkstechnik ausgeführt. Man kann sie entsprechend ohne großen Aufwand pflegen und reparieren, ohne dass sie ästhetisch oder physikalisch unvorteilhaft verändert werden. Schmutzflecken auf den Innenwänden z. B. hat man während der kurzen Zeit, in der die Familie Tugendhat ihr Haus bewohnen konnte, durch Radieren mit Brot entfernt, es war kein Anstrich notwendig.
Die Innenwände sind nicht nur schön, sie durch ihre hydrophile Porosität, die durchlässig ist für Wasser in flüssiger Form, auch für das Raumklima angenehm, weil keine Kondensfeuchtigkeit an der Oberfläche entstehen kann, und damit auch keine Mikroorganismen. (Allergien!)
Die aus Ziegeln bestehenden Außenmauern sind traditionell mit geriebenem Kalkputz beschichtet und mit Kalktünche gestrichen. Anders als der Zement, der 8% zur weltweiten CO2-Emission beiträgt, ist der Kalk weitgehend CO2 neutral. Man hat die Fassade des Hauses T. mehrfach mit Kalktünchen gepflegt, auch während der Zeit der Nutzung als Tanzschule und als Kinderspital von 1945-1980. Erst nach 1985, als man die Fassade mit einer modernen, Kunstharz als Bindemittel enthaltenden Farbe beschichtetet, traten erheblichen Schäden auf. 2011 haben wir die traditionelle Form der periodischen Pflege mit einer Kalktünche wieder eingeführt.
Bemerkungen zur aktuellen Situation der Bauwirtschaft hinsichtlich Materialien und Technologie.
Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts erleben wir radikale, dramatische Veränderungen.
Altbauten:
Die historische Tradition der periodischen Pflege und Reparatur wurde (wie in anderen Bereichen auch) verlassen. Die mangelnde Pflege und Reparatur führen zu schnellem Verschleiß, und entsprechender Verschwendung von Ressourcen und Energie.
Der Gebrauch historisch bewährter Materialien wurde aufgegeben zu Gunsten von Materialien, die mit dem historischen Bestand physikalisch-chemisch und auch ästhetisch nicht kompatibel sind und zu schweren Schäden an den Altbauten führen. Nicht hydrophile, also für Wasser in flüssiger Form durchlässige Anstriche führen zu beschleunigter Verwitterung (um den Faktor 1000 reduzierte Trockungsgeschwindigkeit!) und zerstören längerfristig die historische Oberfläche. Wärmedämmungen, sehr häufig brandgefährlich (Grenfell-Tower in London), sind nach 40 Jahren versicherungstechnisch obsolet, technologisch oft in noch viel kürzere Zeit. Fenster und Türen aus Plastic sind nicht reparierbar.
Neubauten:
Die Neubauten basieren auf kurzfristiger ökonomischer Kalkulation und beschleunigter Obsoleszenz und entsprechender Verschleuderung von Ressourcen und Energie. Wir leben in Betonbauten und Gipskarton-Wänden und Plastic-Anstrichen. Die nicht hydrophilen Oberflächen (von überdies meist kleinen und niedrigen Wohnräumen) führen zum Wachstum von Mikroorganismen, begünstigen Allergien und machen häufige Schocklüftung notwendig.
Meine These zum Umgang mit Altbauten
Man kann Denkmalpflege kann als paradigmatische Form einer nachhaltigen, ökologisch sinnvollen und ästhetisch schönen Form des Umgangs mit historischer Architektur sehen,
z.B. hinsichtlich folgender Kategorien:
Meine These zu den Neubauten:
Die Umweltpolitik der Denkmalpflege ist auch für den Neubau relevant.
Die Baudenkmale repräsentieren Ansätze zur Lösung von technischen, ästhetischen und anderen kulturellen und sozialen (z. B. auch urbanistischen) Problemen. In den Denkmalen sind die Erfahrungen von rund 15000 Jahren (Göbekli Tepe) gespeichert, die mit ihrer bloßen Existenz ihre technologische Tauglichkeit und ihre kulturelle Eignung bewiesen haben. Warum sollten wir diese Quellen der Erkenntnis nicht nutzen?
Einige Forderungen zu einer nachhaltigen Bauwirtschaft
Die Projekte, die im Rahmen des NEB Preise gewonnen haben, sind inspirierend, ober oft Einzelaktionen. Sie sollten mainstream werden.
Für eine nachhaltige und ökologisch sinnvolle Bauwirtschaft brauchen wir